Julian Hessenthaler
Ja, ich sag ja, das ist die Methode. Also es geht, es ist auch weniger der Rache,glaube ich, weil immer die Leute sagen, nee, es geht um ein Exempel statuieren.Es geht einfach darum, dass du so bis zu einem gewissen Grad gehen kannst,aber so, wenn du einen gewissen gerade überschreitest, dann ist einfach der Impuls,ein Exempel zu statuieren und da ist es eigentlich schon fast teilweise gewollt,dass das Exempel möglichst absurd ausfällt, damit die breite Masse wahrnimmt,dass eben das, weil sonst könnte man sagen, okay das ist einfach ein normalesStrafverfahren, aber das ist schon gewünscht auch.Also diese Absurdität ist bis zu einem gewissen Grad, bin ich mittlerweile überzeugt,auch gewünscht, damit die Leute halt den Abschreckungseffekt sehen.Weil jetzt ist es eben egal, wie unschuldig du bist, egal wie sauber du bistegal wie moralisch edel, sonst was du bist, du bist erledigt,wenn du so einen Blödsinn machst.Und das ist glaube ich, worum es eigentlich geht und ich glaube,das ist, worüber man auch in breiterer Form diskutieren konnte,was man auch diskutieren sollte und was man, weiß nicht, wie man es ändern kann,aber es ist definitiv etwas, weil...Überleg mal, wie viele durchaus wirklich relevante, ich will jetzt nicht sagenWeltbewegungen, aber relevante Sachen in den letzten Jahren über Whistleblower herausgekommen sind.Also überleg, wie viele Leute da irgendwo rumsitzen, die noch viele relevantereSachen wissen und auch durchaus sagen wollen würden, die nicht trauen.Weil sie eben gesehen haben, was Leuten passiert, wie mit denen umgegangen wird,was für Kosten sie tragen müssen, was für Konsequenzen sie zu tragen haben.Und das ist glaube ich, also wenn man da was ändern kann, also wenn man wirklich jetzt sagt,für sich, ich meine es gibt ja auch Leute, die sagen, es ist alles super wiees ist und warum will man einem funktionierenden System rumfuschen,aber für den Teil, der sagt, okay, es ist nicht so geil und da gibt es irgendwiegenug Sachen, die nicht gut sind, dann sollte man da vielleicht ansetzen.Weil da gibt es mit Sicherheit, also immer wieder, am Ende des Tages,glaube ich, ist noch kein System von außen geändert worden, sondern immer nurvon innen, wenn du so willst.Und das ist vielleicht auch eine Analogie zu dem, was hier ist, wegen CCC.Im Endeffekt ist es, das ist jetzt überspitzt gesagt, aber Hacking ist ja auchnichts anderes. Du gehst rein und von drinnen machst du es quasi.Und das ist das gleiche. Also du wirst nicht von außen, wenn du von außen einfachnur dagegen rennst, dann wirst du vielleicht irgendwann einbrechen,aber der Effekt ist nicht das gleiche.Es ist immer effektiver, wenn du von drinnen rauskommst. Es ist am Ende auchdas, was ich in meinem vorherigen Job gemacht habe. Wir haben es halt andersgenannt. Ihr nennt es Social Engineering und wir haben es halt,keine Ahnung, Infiltration oder was auch immer genannt.Aber der Punkt ist noch immer das Gleiche. Es passiert immer auf dem Gleichen.Du versuchst dich also nicht mit dem Kopf durch die Wand gegen das System anzurennen,sondern versuchst dich halt irgendwie mal zu integrieren und irgendwie anzupassenund dann von drinnen heraus zu wirken.Und das ist auch, glaube ich, der effektivste und effizienteste Weg und auchder weitestführendste Weg. Aber der Punkt ist, du musst es halt den Leuten nochermöglichen, bzw. ihnen Rahmenbedingungen schaffen, wo sie es machen wollen.Es gibt sicher genug Leute, die der Überzeugung sind, hey, es reicht irgendwann.Ich meine, Menschen sind am Ende Menschen und jeder hat irgendwann mal so dasGefühl in sich gehabt, hey, das geht nicht mehr, das ist zu viel,das ist eine Sauerei, eine Schweinerei.Und dann sieht er halt so Leute wie keiner Assange oder was,der dann sieben Jahre lang irgendwo in einer Botschaft hockt oder was auch immerund jetzt vielleicht irgendwie nochmal 100 Jahre unterobkriegt.Und da überlegst du dir dreimal, klar.Und das sind so Sachen, glaube ich, die... Darüber sollte man reden und diskutieren,das sind die wichtigsten Sachen.Du wirst dem Impuls der Gegenseite, wenn du so willst, nicht vorbauen können,dass dieses Exempel statuiert werden soll und will.Aber wenn du es ermöglichst, dass solche Absurditäten nicht so leicht stattfinden,weil sie stattfinden nur, wenn die Öffentlichkeit wegschaut oder sich blendenlässt mit irgendwelchen Fake-Vorwürfen, Delegitimierungen und sonst irgendwas.Beim Ende des Tages, das ist das, was uns vielleicht, und ich sage absichtlichuns, weil ich es nicht immer auf mich beziehen will, uns, Gemeinde und Anwaltauch, bei Ibiza gefehlt hat, war eben dieser öffentliche Rückhalt.War ja auch unser Fehler, weil wir eben damals die Macht der Öffentlichkeitunterschätzt haben. Also wir sind eben nicht öffentlich gegangen und haben nichtöffentlich erklärt, was wie wo.Auch mit anderem, weil wir eben noch diese Bodyguard-Infos zu verwerten hattenund dass beides nicht gleichzeitig möglich war.Aber der Punkt ist trotzdem der, dass nicht jeder dieser Leute,die Informationen an die Öffentlichkeit tragt, wird perfekt sein.Die meisten sind es wahrscheinlich nicht.Viele davon mögen durchaus ihre Fehler haben und ich will jetzt gar keinen Namennennen, aber ich habe schon gehört, dass charakterlich manche davon nicht unbedingtdie angenehmsten Leute sein sollen.Aber das macht keinen Unterschied. Es geht nicht darum, dass du jetzt jemandenfindest, der irgendwie ein super shiny white irgendwas ist, sondern der Punktist… Die Zahl der perfekten Menschen ist auch sehr überschaubar.
Danke. Phu.
Also ich höre gerade den Anfang.
Und ich schwöre, dass ich „ihn“ nach der ersten Wortmeldung (5:03) schon erkannt habe . . .
(Bin aber auch Österreicher und linksversifft. Anfang April hab ich ein paar Wochen lang seine Stimme fast mehr gehört als die meiner Frau.)
LOL
Ganz großen Respekt, für so viel Courage und Standing! Und dann noch Talent zum Erzählen und Humor. Eine der unterhaltsamsten und bewegendsten Folgen ever.
Vielen vielen Dank euch 3en!
Eine absolute Sternstunde des LNP Podcasts und wahrscheinlich sogar des deutschen Journalismus. Kein mir bekannter Nachrichtenartikel oder Reportagebericht kommt an die Detailschärfe dieses Podcasts ran. Danke mit Gänsehaut.
Zum Thema gibt schon sehr gute Artikel. Beispielhaft dieser hier:
https://correctiv.org/aktuelles/justiz-polizei/2023/04/16/julian-hessenthaler-interview-ibiza-affaere-video-oesterreich-strache-kurz-affaere-ibizagate-boehmermann-skandal/
Beeindruckend.
wie heißt denn der coole Bonustrack und wo kann ich den finden?
die Links aus den shownotes helfen mir nicht so richtig leider, oder steh ich auf dem Schlauch?
danke für die wirklich großartige folge!
Ich glaube den gibt es noch nicht als offizielles Release. Aber frag doch einmal über Mastodon…
Ich finde es erschreckend wie die öffentliche Berichterstattung oder zum Beispiel die Artikel auf Wikipedia vom scheinbar wahren Geschehen abweichen. Eine der besten LNP-Folgen die ich je gehört habe, gleichzeitig auch eine der erschreckensten und traurigsten, wenn man hört wie hier die Demokratie ins Agen gerät.
Guten Morgen Linus, guten Morgen Tim!
Als geborener Grazer und Wahl-Linzer fühle ich mich geradezu verpflichtet, hier zu kommentieren: Wie Tim schon richtig festgestellt hat, ist das steirische Kürbiskernöl ein sehr beliebtes Genussmittel in und um Graz. Dabei handelt es in seiner Exklusivität quasi um den Champagner Österreichs. Der eben genannte Schaumwein darf bekanntlich ja nur so genannt werden, wenn er in der Champagne hergestellt wurde und das gilt auch für das steirische Kürbiskernöl und die Steiermark.
Allerdings kommt mittlerweile ein guter Teil der verwendeten Kürbis(kerne) aus anderen Bundesländern wie Niederösterreich (das was um Wien herum ist), soweit ist es mit der Qualität also auch nicht hin. Dafür gibt es mit dem Cucurbita pepo var. styriaca oder Steirischen Ölkürbis eine eigene Kürbisart für die Ölherstellung.
Kürbiskernöl in Cola kenne ich bisher nicht, allerdings gibt es einen Eisbecher mit Kürbiskernöl, den man als Steirische Sünde bezeichnet. Der Name ist Programm, ich finde es schmeckt absolut ekelhaft.
Abseits von lokaler Kulinarik möchte ich aber noch hier noch einige allgemeinere Anmerkungen zur österreichischen politischen Situation beisteuern.
Tim hat sich hier nach geografischen Besonderheiten erkundigt und die gibt gewissermaßen schon:
Das Land ist natürlich geprägt durch die Alpen, was sich in der der Bevölkerungsverteilung und der entsprechenden Infrastruktur widerspiegelt. Die Bevölkerung verteilt sich im Osten Österreichs mehr oder weniger in einer Boomerangform von Graz über Wien nach Linz, ganz einfach weil da keine (bzw. weniger) Berge sind. Ich empfehle hier, dass ihr euch eine Karte mit Bevölkerungsverteilung anschaut. Auch wenn Wien nicht in der Mitte von Österreich liegt, ist es das verkehrstechnische Zentrum von Österreich. Würde man einen Zug von Graz nach Linz nehmen, würde man in vielen Fällen über Wien als schnellste Route fahren.
Der Westen von Österreich (Bundesländer Tirol und Vorarlberg) ist dann nochmal eine ganz eigene Geschichte. Der schnellste Weg dorthin (egal ob Auto oder Zug) führt über Deutschland (bzw. Italien). Es gibt meines Wissens keine rein-österreichische Schnellstraßenverbindung und keine Zugverbindung. Der Westen ist daher in gewisser Weise vom Osten abgeschnitten, was zu einem besonderen politischen Phänomen beitragen dürfte. Je westlicher man in Österreich kommt, desto stärker wiegt das politische Misstrauen gegen die „Zentralregierung“ und „das Mandat“ aus Wien.
Man darf hierbei nicht vergessen, dass die Gesamtbreite von Österreich fast der Strecke München – Hamburg entspricht. Wenn sich ein ein Wiener also über Vorarlberg äußert, wäre das wie wenn sich ein CSU-Politiker über Mecklenburg-Vorpommern zu Wort meldet.
Wien für sich genommen ist mit Abstand der größte Ballungsraum in Österreich. Diese Bevölkerungskonzentration (in und um die Hauptstadt) gibt es allerdings in vielen Ländern und das würde ich auch nicht weiter als ungewöhnlich ansehen.
Viel interessanter empfinde ich allerdings die politische Konzentration Österreichs. Julian hat selbst schon gesagt, dass jeder jeden kennt und das dürfte durch den starken Wien-Fokus der Politik noch verstärkt werden, denn Wien ist trotz seiner formal zwei Millionen Einwohner ein Dorf. Das hat sicher auch nicht nur Vorteile.
So wäre es keine ungewöhnliche Konstellation, wenn der Verfassungsrichter mit dem Nationalratsabgeordneten und dem Chef einer großen Bank am Wochenende Golf spielt, weil man sich halt vom Studium, der Partei oder einfach nur vom Golfclub kennt. Das
ist kein konkretes Beispiel (auch wenn es an diesen nicht mangeln würde), sondern soll nur diese Beziehungsgeflecht verdeutlichen.
Beziehungen sind wichtig, aber in Österreich vielleicht noch ein bisschen mehr.
Vitamin B – wie man es nennt – zu verwenden, ist nichts ungewöhnliches und wird gemeinhin auch nicht als verwerflich angesehen, weil „des is holt amal so“. Dabei spielt es dann auch keine Rolle, ob es um die Umwidmung zum Baugrundstück beim lokalen Bürgermeister geht, oder um den Aufsichtsratsvorsitz eines staatsnahen Konzerns.
Ein Thema was bei einem Umriss der politischen Landschaft Österreichs nicht fehlen darf, sind die Bundesländer. Österreich ist wie Deutschland ein Bundesstaat mit neun Ländern und vereint hierbei das schlechteste aus beiden Welten.
De facto ist Österreich nämlich eher ein Zentralstaat mit bundesstaatlichen Elementen. Die Länder verfügen nur über wenige und kaum relevante Kompetenzen (Jagdordnung und Jugendschutz werden hier oft genannt, viel mehr isses dann aber eh nicht). Dafür verfügen die Länder bzw. Landeshauptleute (=Ministerpräsidenten) über enorme informelle Macht. Hier sei bspw. die Landeshauptleutekonferenz genannt, bei der es sich meines Wissens um gar kein offizielles Organ, sondern vielmehr um ein inoffizielles Treffen der Landeshauptleute handelt. Trotzdem glaube ich nicht, dass eine Bundesregierung auch nur irgendein Gesetz beschließen könnte, wogegen sich die Landeshauptleutekonferenz geschlossen sträubt.
Landesparteien sind auch ein sehr interessantes Phänomen, der Bürgermeister von Wien (in Personalunion Landeshauptmann von Wien) gilt seit jeder als eine der wichtigsten Personen in der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) und als relevanter Faktor in der Bundespolitik. Ähnlich die Landeshauptfrau von Niederösterreich, als Vorsitzende der mächtigsten Landespartei der österreichischen Volkspartei (ÖVP), aus der auch Bundeskanzler Karl Nehammer kommt. Diese Personen haben – so klein ihre rechtlich zugestandenen Kompetenzen auch sind – enormen Einfluss auf die Bundespolitik.
Es gäbe noch so viele andere interessante Besonderheiten der österreichischen Politiklandschaft, über die ich gerne hier schreiben würde, wie z.B.:
* das Parteiwesen und die überhöhten Parteiförderungen,
* Parteimedien,
* Inseratenkorruption,
* die Rolle des ÖRR in Österreich.
Insgesamt hoffe ich trotzdem, dass ich hier einen tieferen Einblick geben konnte, wie dieses Land funktioniert.
Ich finde es sehr cool, dass ihr Julian eingeladen habt und möchte euch allgemein für eure Arbeit danken!
Abschließen möchte ich diesen Kommentar mit einem alten Witz aus der Kaiserzeit:
Ein Deutscher und ein Österreichischer General analysieren am Vortag der Schlacht die Lage.
Der Deutsche sagt: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“.
Der Österreicher antwortet: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst!“
Habt ihr für die mit vollen Taschen (und ohne Jobangebot ^^ ) aber einer vor dem Podcatcher sitzen noch einen Link wie man Julian unterstützen kann?
Oder lasst ihr Julian eh die digitalen Spenden zu dieser Folger ihm zukommen?
+1
Eine meiner Lieblingsfolgen. Was für ein krasser Typ und was für eine Geschichte!